Landkreis Holzminden (lbr). „Als Bürgermeister von Stadtoldendorf, kann ich nur danke sagen, Sie haben Stadtoldendorf abgeschossen“, richtete Helmut Affelt (CDU) zynische Worte an seine Kreistagskollegen in der heutigen Sitzung. Wieder stand das Dauerthema der Schulentwicklung im Landkreis Holzminden auf der Tagesordnung. Zum einen entschloss sich die Mehrheit der Kreistagsmitglieder den Beschluss aus Juli zur Einrichtung einer IGS in Stadtoldendorf aufzuheben. Zum anderen stellte die Mehrheitsgruppe bestehend aus SPD, Grüne und FDP ihre neuen Pläne für die zukünftige Schullandschaft vor. 

Mit 22 Ja-Stimmen zu 17 Nein-Stimmen unterstütze die Mehrheit des Kreistages den Änderungsantrag der Gruppe SPD/FDP/Grüne zur Einrichtung einer IGS in Stadtoldendorf. „Da anhand der 10-jährigen Prognose die erforderlichen Schülerzahlen für eine vierzügige IGS am Standort Stadtoldendorf nicht erreicht werden können und sich die deutliche Mehrheit der teilnehmenden Eltern und Lehrer*innen klar gegen eine IGS am Standort Stadtoldendorf ausgesprochen hat, wird eine IGS in Stadtoldendorf nicht errichtet und die damit im Zusammenhang stehende Schließung der OBS Bevern und HRS Eschershausen vorerst aufgehoben“, lautet der Beschluss. 

Zuvor wurde über die Änderungsanträge der Elternvertreter und der CDU/UWG-Gruppe abgestimmt. Elternvertreter und CDU/UWG wollten an einer IGS in Stadtoldendorf festhalten, die jetzigen Schulen in Stadtoldendorf, Bevern und Eschershausen aufheben und eine vierzügige oder mit Ausnahmeregelung des Landes dreizügige IGS in Stadtoldendorf einrichten. Beide Änderungsanträge bekamen nicht die Mehrheit im Kreistag. Im Schulausschuss, zwei Wochen zuvor, hatte sich der Antrag der Elternvertreter durchgesetzt. 

„Für uns ist eine IGS in Stadtoldendorf immer noch die schnellste und beste Lösung“, erklärt Sonja Bergmann-Gross als Elternvertreter erneut und appelliert an die Kreistagsmitglieder: „Wir waren hier in diesem Gremium vor genau einem Jahr schon einmal weiter. Wann genau hat Sie der Mut verlassen, diese Gesamtlösung weiterzuverfolgen? Warum möchten Sie die Lösung, die Gerechtigkeit für so viele Menschen verspricht, jetzt wieder in die Zukunft vertagen? Nur, weil es die neuen Bündnismöglichkeiten jetzt ermöglichen? Wir wünschen uns an der neuen IGS das Beste aus drei Welten. Hauptschule, Realschule, Gymnasium - Bevern, Eschershausen, Stadtoldendorf.“ Sabine Echzell (CDU) betonte, dass es hier um die Bildungsqualität und ein Gesamtkonzept ginge. „Wir sind uns doch alle einig, dass wir eine IGS im Landkreis wollen. Warum bringen wir sie nicht jetzt auf den Weg?“, so Echzell. Die Mehrheitsgruppe stütze sich auf das Ergebnis der Elternbefragung. Rund 32,38 Prozent der 2245 befragten Eltern meldeten sich zurück und 11,94 Prozent sprachen sich für eine IGS in Stadtoldendorf aus. „Wir wollen eine Schule im Nordkreis anbieten, die attraktiv ist. Sie müssen die Leute nicht bevormunden. Die Befragung hat gezeigt, die Leute wollen nicht das, was Sie ihnen anbieten“, sagt Hermann Grupe (FDP). „Das Ergebnis der Elternbefragung ist, das schlechtestes, das wir je hatten. Eine klare Ablehnung“, so Christian Meyer (Grüne). „Sie alle wissen, wie sehr ich für den Kompromissvorschlag gekämpft habe, doch er ist krachend gescheitert“, erklärte Dirk Reuter (SPD) und ergänzte: „Wer glaubt denn, dass eine dreizügige IGS funktioniert - Das ist eine Krücke.“ Uwe Schünemann (CDU) entgegnete: „Es ist interessant, wie man die Fakten auslegt. Es ist das beste Ergebnis einer Elternbefragung, dass wir bisher hatten. In Bodenwerder hatten wir 30 Anmeldungen, hier hätten wir bereits eine stabile Dreizügigkeit.“ „Ich finde es traurig, dass es seit Jahrzehnten noch immer keine IGS im Landkreis gibt“, erklärte Sabine Golczyk (LINKE) und sprach sich erneut für Bildungsqualität aus. 

Der Landrat Michael Schünemann stimmte bei allen drei Abstimmungen zu den Änderungsanträgen nicht mit ab. Auf Nachfrage von Stephan Willudda, Bürgermeister des Flecken Delligsen, bestätigte die erste Kreisrätin Sarah Humburg, dass juristisch gesehen, mit der Aufhebung des Beschlusses alle Schulen vorerst ohne „Fahrplan“ seien.

Unter einem weiteren Tagesordnungspunkt wurde die Schuldiskussion fortgeführt: Die Ampel-Koalition des Kreises stellte ihren neuen Antrag zur künftigen Schulpolitik im Kreis Holzminden vor. Dieser Antrag wird zunächst in den Fachausschüssen behandelt, bevor er erneut im Kreistag diskutiert und zur Abstimmung gestellt wird. Der Beschlussvorschlag sieht vor, dass die Verwaltung beauftragt wird, im ersten Quartal des Jahres 2022 einen Zeit-, Finanzierungs- und Maßnahmenplan zur Weiterentwicklung der Schullandschaft vorzulegen. Dabei gibt die Mehrheitsgruppe folgenden Maßnahmen vor: 

„1. Der beschlossene Neubau der OBS Delligsen im Schulverbund Delligsen-Duingen wird wie geplant weitergeführt.

2. Für den Neubau der Förderschule für geistige Entwicklung wird die Verwaltung beauftragt, in der Stadt Holzminden zeitnah geeignete Standorte vorzuschlagen und die Finanzierung zu klären. Die Standortentscheidung wird im ersten Quartal 2022 getroffen. 

3. In Bodenwerder wird gemäß vom Kreistag geforderten Schuluntersuchungen ein Rückbau geprüft, um das Raumangebot an die Schülerzahlen bedarfsgerecht anzupassen und die laufenden Kosten entsprechend zu senken. Die weiter benötigten Räume für die Oberschule sollen energetisch und baulich saniert werden. 

4. Die OBS Bevern und die OBS Holzminden werden zu einer neuen gemeinsamen Oberschule mit bestmöglichem integrativem Schulkonzept zusammengeführt. Der Standort Bevern wird dann Außenstelle der neuen OBS Holzminden/Bevern.

5. Am Standort Eschershausen wird eine integrative mindestens vierzügige Nordschule errichtet. Dabei soll das vorhandene Schulgebäude und Sportanlagen bestmöglich einbezogen werden. Die bauliche Ausstattung soll so erfolgen, dass die vierzügige Sekundarschule, jederzeit in eine IGS umgewandelt werden kann.“ 

Zum Standort Stadtoldendorf heißt es: „Der Landrat wird aufgefordert, mit der Stadt Stadtoldendorf Gespräche für eine stärkere Unterstützung des Standortes insbesondere in den Bereichen Gesundheitszentrum, Wohnen, Wirtschaft, Jugend, Soziales und Mobilität sowie für die Sanierung der Kreissporthalle aufzunehmen, um Stadtoldendorf fit für die Zukunft zu machen. Über die Vorschläge aus Stadtoldendorf soll umgehend in den entsprechenden Gremien des Kreistages beraten werden und entsprechende Haushaltsmittel eingestellt werden.“ 

Die Mitglieder des Schulausschusses behandeln den neuen Vorschlag der Mehrheitsgruppe am 10. Januar 2022 und am 28. Februar 2022 könnte dann eine Entscheidung im Kreistag fallen.