Landkreis Holzminden (red). Als 1992 der Begriff der „Nachhaltigkeit“ weltweit geprägt wurde und unter „Generationengerechtigkeit“ (keine Generation solle auf Kosten der Folgegeneration ihre Bedürfnisse befriedigen) zusammengefasst wurde, ergab sich in den Folgejahren immer deutlicher ein Zusammenhang in Richtung Klimawandel. Mehr und mehr wurde klar, dass wir als heutige Generation unseren Kindern ungefragt eine wärmere Erde und einen höheren Meeresspiegel hinterlassen würden. Um die Ursachen hierfür zu verstehen, findet man unter dem Stichwort „Strahlenbilanz der Erde“ gute Hinweise: Die Erde erhält energiereiche Strahlung von der Sonne und die Sonne ist neben der Erdwärme in ihrem Inneren die einzige Energiequelle der Erde. Die energiereiche Strahlung trifft auf die Erdoberfläche auf und überträgt dabei die Energie für die Photosynthese der Pflanzen und die Energie in Form von Wärme. Umgeben wird die Erde von einer Atmosphäre, die je nach Betrachtungsweise 20 bis 50 km dick ist. In dieser Atmosphäre finden sich natürlicherweise seit Jahrmillionen die Gase Stickstoff, Sauerstoff, Edelgase und in kleinen Spuren CO2 sowie stellenweise in Erdnähe kleine schwebende Wassertropfen, die wir Wolken nennen. 

Bis zur industriellen Revolution in der Mitte des 19. Jahrhunderts funktionierte der Erdalltag so, dass die Wärme der Erdoberfläche nachts als langwellige Wärmestrahlung von der Erde durch die Atmosphäre Richtung Universum wanderte und sich die Erde so wieder abkühlte. So hätte sich theoretisch eine Durchschnittstemperatur an der Erdoberfläche von ca. minus 15 Grad Celsius ergeben, aber die Wolken in Erdnähe hielten natürlicherweise auch Wärme in der Erdatmosphäre zurück und führten zu einer Durchschnittstemperatur von plus 15 Grad Celsius, mit der Folge, dass ab ca. 10 Grad Celsius die ersten Pflanzen wachsen konnten. 

Ab dem Ende des 20. Jahrhunderts stellen wir fest, dass wir diese natürlichen Vorgänge aus ihrem Gleichgewicht gebracht haben. Der CO2 Gehalt der Atmosphäre hat deutlich zugenommen und damit auch die Durchschnittstemperatur an der Erdoberfläche. Die vergangenen Jahre waren immer wieder Spitzenreiter in der Liste der wärmsten Jahre seit Beginn der Klimaaufzeichnungen. CO2 hat in der Atmosphäre eine Lebensdauer von mindestens 30 Jahren, manche Wissenschaftler/innen sagen bis zu 1000 Jahre. Was macht ein CO2 Molekül in der Atmosphäre, wenn es Wärme aufnimmt? Es fängt an durch die langwellige Wärmestrahlung von der Erdoberfläche zu schwingen, zu rotieren und bewegt sich immer stärker. Dabei stößt es in der Atmosphäre nicht nur auf andere Gasmoleküle, sondern in Bodennähe auch z.B. auf gefrorene Wassermoleküle u.a. im Polkappeneis, in Permafrostböden, auf grönländischem Festland oder in Gletschern und überträgt dem Eis Wärme zum Schmelzen. 

Manche Wissenschaftler vermuten, dass wir der Atmosphäre schneller Wärme zuführen, als sie mit dem Universum austauschen kann. Offensichtlich spielt der Faktor Zeit im Klimawandel eine Rolle, genauso wie der Eintrag und die Menge der klimarelevanten Gase. Klimagase wirken gewissermaßen als „Deckel“ in der Atmosphäre und sorgen dafür, dass die von der Erde abgegebene Wärmestrahlung in Erdnähe verbleibt und nicht schnell in höhere Atmosphärenschichten entweichen kann.

Wie hängen diese drei Einflussfaktoren zusammen? 

1. Wir verbrennen seit 1850 in immer größerem Maßstab fossile Rohstoffe und tragen dabei CO2, Wasserdampf und Abwärme in die Atmosphäre. Dort finden wir bereits andere klimarelevante Gase wie z.B. Methan, Lachgas, langlebige chlorierte und fluorierte Verbindungen. 

2. Das CO2 hält die Wärme lange in der Atmosphäre fest und erwärmt dabei auch die Erdoberfläche. Das Eis der Gletscher und der Pole beginnt zu schmelzen und der Meeresspiegel steigt. 

3. Durch zunehmende weltweite Industrialisierung und zunehmenden Energieverbrauch wird der Klimawandel immer mehr beschleunigt und so kann die Erde auch immer langsamer Wärme in den Weltraum abgegeben und sich wieder abkühlen. 

Machen wir uns diese Zusammenhänge an einfachen Experimenten deutlich: 

1. Wir nehmen ein randvolles Glas kaltes Wasser mit oben aufschwimmenden Eiswürfeln, um uns den Zusammenhang zwischen schmelzendem Eis und Meeresspiegelerhöhung zu verdeutlichen Anschließend blasen wir z.B. mit einem Föhn etwas Schmelzwärme über die Eiswürfel und diese beginnen zu schmelzen. In der Folge läuft das Glas Wasser über, weil Eis etwa 10 % dichter ist als Wasser. Daß geschmolzenes Eis die Erhöhung des globalen Meeresspiegels verursacht, ist also keine Überraschung. 

2. Als zweites Experiment nehmen wir einen Topf mit Wasser auf einem Herd, um uns zu verdeutlichen, was schnelles oder weniger schnelles Erhitzen bedeutet. Erhitzen wir das Wasser ohne Deckel langsam und nur wenig, dann wird die zugeführte Wärme in die Umgebung abgegeben. Das Wasser braucht lange, bis es heiß wird und es kocht nicht über. Kochen wir es nur auf kleiner Flamme, bleibt das Wasser warm und wird nicht zu heiß. So kann sich eine konstante Gleichgewichtstemperatur im offenen Topf, im Wärmeaustausch mit der Umgebungsluft, ergeben. 

Nun legen wir einen Deckel auf den Topf. Stellen wir uns als Deckel vor: die Klimagase CO2, Wasserdampf und andere. Was passiert, wenn der Topf mit Deckel schnell erhitzt wird, schneller, als die Wärme z.B. über die Topfwände und Öffnungen am Rand entweichen kann? Der Wasserspiegel im Topf steigt und steigt und der Topf kocht über. Es folgt gewissermaßen eine lokale Klimakatastrophe. Will man viel Wasser mit Absicht schnell erhitzen, muss man rechtzeitig den Deckel entfernen, sonst kocht der Topf über. Offensichtlich haben wir versäumt, rechtzeitig den „Deckel“ aus unserer Atmosphäre zu entfernen (bzw. die Rolle der Klimagase in der Atmosphäre zu beachten) und nicht nur das, der Deckel wird durch wachsende CO2 Einträge immer dicker. 

Die Vermutung mancher Wissenschaftler, dass wir der Atmosphäre schneller Wärme zuführen, als sie mit dem Universum austauschen kann, zeigt uns im Ergebnis unserer Betrachtungen, dass es nicht ausreicht, sich nur auf CO2 – Reduktionen zu konzentrieren. 

Bei jeder Verbrennung von fossilem Material entsteht auch Wasserdampf. Wasserdampf ist 7 mal klimarelevanter als CO2 und im Wasserdampf steckt eine Menge Energie. Je mehr Wasserdampf wir der Atmosphäre zufügen, desto größer wird die Energie in der Atmosphäre und damit die Wahrscheinlichkeit für lokale klimatische Extremereignisse, wie z.B. Starkregen, Stürme und Hochwasser. 

Wasserdampf und Wärme werden auch von Kühltürmen in die Atmosphäre übertragen. Alternativ könnten Konzepte entwickelt werden, die Wärme vor Ort zu nutzen oder zu speichern, ohne dass Wasserdampf frei wird. 

Der weltweite Primärenergieverbrauch von 580 x 1015kJ z.B. im Jahr 2016 führt in Wärme umgerechnet zu einem jährlich geschmolzenen Eiswürfel von 1,5 x 1012 m3, ein Würfel von etwa 12 km Kantenlänge. Auf 100 Jahre berechnet und unter der willkürlichen Annahme einer 
Verdoppelung des Weltenergieverbrauchs errechnet sich ein entsprechender Anstieg des Meeresspiegels um ca. 90 cm bis zum Jahr 2100 (bezogen auf das Jahr 2000). 

Was wird das für die überwiegende Mehrheit der Weltbevölkerung bedeuten, die direkt in Küstennähe oder an Gewässern wohnt? Schon jetzt werden Inseln und Bereiche in Ufernähe überflutet. Große Umverteilungsprozesse bei Land, Wohnraum und Ressourcen sind vorprogrammiert. Und dies alles bei absehbar steigender Weltbevölkerung, absehbar steigendem Energieverbrauch und begrenzten Ressourcen auf der Erde. 

Der Klimawandel ist ein Fakt geworden. Wir müssen die Geschwindigkeit des Klimawandels verlangsamen, um mehr Zeit zu gewinnen, um uns auf die absehbar gewaltigen sozialen, ökologischen und ökonomischen Konsequenzen vorzubereiten. Das geht auch lokal und regional, also in vielen kleinen Schritten, was zusammen einen großen Schritt ergeben kann. 

Was kann der einzelne tun, um diese Prozesse zu verlangsamen? Hier einige Beispiele, die zum Überlegen anregen sollen:

1. Lebensmittel aus heimischem Anbau, auf heimischen Märkten kaufen und nicht in Supermärkten, die international einkaufen und wo die Produkte viel längere und klimaintensivere Transportwege zurückgelegt haben. 

2. Mineralwasser aus heimischen Quellen trinken 

3. Urlaub z.B. auf dem Bauernhof zu machen, um zu sehen, wie und wo unsere Lebensmittel entstehen. 

4. Ressourcen der Region, wie z.B. unser Holz intelligent nutzen. 

5. Wenn möglich Fahrgemeinschaften bilden, um Fahrweg sparen. 

6. Stecker ziehen: Rechner und Bildschirme außerhalb der Arbeitszeit nicht nur in den Stand-by-Modus versetzen, sondern mit dem Stecker von der Stromversorgung trennen. 

7. Leuchtmittel wechseln: Leuchtstoffröhren durch LEDs ersetzen. 

8. Bewusst drucken: nicht einseitig, nicht mit Einweg-Patronen auf Frischfaserpapier und nicht mit der Schriftart Arial drucken, sondern doppelseitig, mit Mehrweg-Patronen, auf Recyclingpapier und in der Schriftart Century Gothic 

9. etc. 

Was kann unsere Region tun, um z.B. die reichhaltig vorhandene Ressource Holz nachhaltig zu nutzen? 

Wenn wir Holz nur der Wärme wegen verbrennen, wird das jahrzehntelang gespeicherte CO2 und alle gespeicherte Energie in Minuten wieder klimarelevant in die Atmosphäre freigesetzt. Es gibt eine seit langem technisch erprobte Möglichkeit, aus dem Holz einen Energieträger mit Zukunft, den Wasserstoff zu gewinnen. Dieser Prozeß heißt Holzvergasung bzw. Holzpyrolyse. Dabei wird Holz, unter Sauerstoffausschluß, nur einmal auf ca. 300 Grad Celsius erwärmt und dann startet ein Prozeß, der sich energetisch selbst unterhält. Das heißt, es muß keine neue Energie zugeführt werden, um den Prozeß am Laufen zu halten. Und nicht nur das: dieser Prozess liefert neben dem Wasserstoff noch Holzkohle, aus der man z.B. Aktivkohle machen könnte, er liefert aber auch den begehrten Holzessig, Methanol, Holzaromen und ein anderes in der chemischen Industrie hoch begehrtes Gas, nämlich Ethen, die Muttersubstanz fast aller Massenkunststoffe und eine Rohstoffquelle für unsere Arzneimittel. Holz ist demnach die nachwachsende Kohlenstoffquelle der Zukunft! 

95 % des Wasserstoffs wird heute im Wesentlichen aus fossilen Quellen wie z.B. Erdgas gewonnen. Die weiteren 5 % fallen bei der Chlor- Alkali – Elektrolyse an. Zukünftig soll dieser Anteil z.B. durch die Elektrolyse von Wasser deutlich gesteigert werden. Dies ist ein sehr energieaufwändiges Verfahren, das schon heute als „grün“ bezeichnet wird. Grün wird es, wenn die zur Elektrolyse notwendige Energie aus regenerativen Quellen und kostengünstig zur Verfügung gestellt werden kann. Nach derzeitigem technischen Stand wird dies aber weite Transporte und neue Transportwege von Ökostrom erforderlich machen. 

Der Forstanteil in unserer Region ist hoch. Bevor wir Holz – teilweise für erschreckend niedrige Preise – ins außereuropäische Ausland exportieren, sollten wir die wirtschaftlichen Strukturen im Landkreis Holzminden z. B. durch die Herstellung und Optimierung von „dunkel“-grünen Wasserstoff unterstützen und dazu produktionstechnische Möglichkeiten regional aufzubauen helfen. Gerade jetzt stehen im Bereich grüner Wasserstoff diverse Fördermöglichkeiten zur Verfügung. 

Für weiterführende Informationen zum Thema „Klimawandel, leicht verständlich“ lesen Sie bitte „Entropie eines Eiswürfels“, Link: https://www.th-owl.de/elsa/record/2184 und https://www.lz.de/lippe/kreis_lippe/21721916_Manfred-Sietz-macht-mit-Eiswuerfeln-den-Klimawandel-sichtbar.html. Damit der Eisbär anstelle von seinen gewohnten Eisschollen nicht auf der grünen Wiese leben muss, können auch wir im Landkreis Holzminden unseren Beitrag dazu leisten und die Zukunft aktiv mitgestalten. 

Bitte beachten Sie folgende Veranstaltung: CDU Bürgerforum Klimawandel und Nachhaltigkeit mit Minister Björn Thümler, niedersächsischer Minister für Wissenschaft und Kultur, 24.8., 17.00 Uhr bis 18.30 Uhr im Haus am Eberbach, Linnenkämper Str. 26, 37627 Stadtoldendorf

Zur Person: Prof. Dr. Manfred Sietz Wangelnstedt (www.manfred-sietz.de), Jahrgang 1958, Energieauditor nach § 8 EDL-G/Gutachter für Nachhaltigkeit/Diplomchemiker. 

Fotos: CDU/Pixabay